Europa in Zeiten des Niedrigzinses. Bereits seit über zwei Jahren liegt der Leitzins bei knapp 0 %, im März 2016 wurde der Hauptrefinanzierungssatz dann endgültig auf diesen Wert festgelegt. Diese Zinsentwicklung wirkt sich vor allem für Kreditnehmer positiv aus, die von den niedrigen Zinsen profitieren, Sparer haben das Nachsehen. Die wenigsten machen sich aber bewusst, dass die Bedingungen nicht nur für den Verbraucher gelten, sondern auch für Unternehmen und die Banken selbst. Dabei können gerade die beiden zuletzt genannten als Indikatoren für Veränderungen auch im Privatkunden-Segment gelten. Eine dieser interessanten Entwicklungen sind Negativzinsen bei Krediten.
Negativzinsen Kredit: Wie funktioniert das?
Zunächst muss geklärt werden, was Negativzinsen sind. Synonym dafür werden auch die Begriffe Strafzinsen oder Minuszinsen verwendet. Zu unterscheiden gilt es außerdem, auf welches Produkt diese angewandt werden. Handelt es sich um einen Kredit-Minuszins oder einen Strafzins auf Anlagen, wie zum Beispiel Sparbücher? Je nach Bankprodukt ergeben sich anderen Konsequenzen aus den Negativzins. Ein Minuszins auf Anlagen bedeutet, dass anstatt regelmäßig Geld dank der Zinsen auf den vorhandenen Sparbetrag gutgeschrieben wird, Abzüge in Höhe der Strafzinsen stattfinden. Sehr zum Ärger der Anleger.
Kredite und Darlehen sind hingegen normalerweise Finanzprodukte bei denen die Bank Geld verleiht und für diesen Service Gebühren in Form von Kreditzinsen erhält. Bei einem Kredit mit Minuszinsen muss der Kreditnehmer nicht mehr die Gebühren zahlen, sondern erhält von der Bank Geld dafür, dass er sich Geld leiht. Anstelle von einer durch die anfallenden Zinsen höheren Summe, die zurückgezahlt werden muss, wird bei einem Kredit mit Negativzinsen monatlich entsprechend ein gewisser Betrag von der Schuldenlast abgezogen.
Woher kommen die Kredite mit negativen Zinsen?

Die Ursachen für die Vergabe eines Kredit-Minuszins liegt in der Politik der EZB, der Europäischen Zentralbank. Durch Anpassungen am Leitzins soll die Wirtschaft der Europäischen Union gefördert und gelenkt werden. Um konjunkturschwache Länder innerhalb der Union zu unterstützen, wurden die Leitzinsen gesenkt. Dies soll die Vergabe von Krediten befördern und damit letztlich den Konsum und somit die Wirtschaft fördern. Dank des niedrigen Leitzinses können Banken sich günstig Geld von der EZB leihen und zu ebenso günstigen Konditionen an ihre Kunden weitergeben. Entsprechend ist das Deponieren von Geld für die Banken inzwischen mit Strafzinsen versehen, so dass es für sie unattraktiv wird, Geld anzusparen. Auch dieser Effekt wird an die Kunden der Banken weiter gegeben.
Die Möglichkeiten für die Banken selbst, sind also relativ beschränkt: Günstig leihen und teuer deponieren. Die Auswirkungen für die Kunden richten sich nach diesen Vorgaben, wenngleich in abgeschwächter Form. Banken müssen langfristige Berechnungen anstellen, um selbst noch wirtschaftlich zu sein. Je langfristiger ein Produkt, desto vorsichtiger muss kalkuliert werden.
Erster Kredit mit Negativzinsen in Dänemark vergeben
Dänemark ist in vielerlei Hinsicht ein fortschrittliches Land. Auch in Sachen Zinsen hatten die Dänen eine vermeintliche Vorreiterrolle eingenommen. Sie gaben erstmals Minuszinsen bei der Vergabe von Krediten heraus. Dass auf Sparkonten wenig, keine oder sogar Negativzinsen gezahlt wurden, war auch in Dänemark schon Realität. Dass Kunden nun jedoch auch für die Aufnahme von Krediten bezahlt werden, war neu. Anfang 2015 hatte die dänische Nordea Bank erste Hypothekendarlehen mit einem Minuszins vergeben. Der Zinssatz betrug zwar nur -0,03 %, dennoch erhielt der Kunde faktisch eine Bezahlung für die Aufnahme des Kredits. Speziell bei Immobilienkrediten mit hohen Kreditsummen kann sich auch ein kleiner Minuszins positiv bemerkbar machen. Das merkte auch die Nordea Bank sehr schnell und bereits nach einige wenigen abgeschlossenen Darlehen mit Negativzinsen wurde das Angebot zurückgezogen.
Minuszinsen-Kredit realisierbar?
Theorie und Praxis unterscheiden sich häufig. Die Intention der EZB, die Banken zu einer erhöhten Kreditvergabe durch Strafzinsen zu verleiten, funktioniert nur bedingt. Viele Banken geben stattdessen die Strafgebühren bei Anlagen an ihre Kunden weiter. Insbesondere Großkunden sind von den Strafzinsen auf Einlagen betroffen. Der Traum vieler Konsumenten, fürs Geld leihen auch noch Geld zu erhalten, dürfte nicht wahr werden. Banken müssen langfristig planen und das ist schlecht für Geschäfte mit Negativzinsen. In Deutschland werden insbesondere bei Baufinanzierungen sehr lange Laufzeiten vergeben. Niemand kann vorhersehen, wie lange sich der Leitzins auf niedrigem Niveau halten kann. Ein Kredit mit Negativzinsen und einer Laufzeit von 10 Jahren muss also von der Bank auch noch finanziert werden, wenn der Leitzins schon lange nicht mehr auf dem jetzigen Rekordtief ist.
Gut für den Kunden, schlecht für die Bank
So verlockend es klingen mag, dass man irgendwann Geld bekommen könnte, wenn man ein Darlehen aufnimmt – für Banken ist diese Entwicklung keineswegs erstrebenswert. Sollten sie trotz der ungewissen Langzeitentwicklung doch noch Negativzins-Kredite anbieten, müssen sie das Geld für die Gutschriften dann auf anderen Wegen beschaffen. Die fehlenden Gelder könnten dann durch Kostenerhebungen an anderer Stelle ausgeglichen werden. Erste Ausgleichsmaßnahmen lassen sich vor allem im Sparerbereich bereits feststellen.
Obwohl die Einführung eines Kredit-Negativzinses weiterhin eher unwahrscheinlich bleibt, profitieren Verbraucher dennoch von den Bestrebungen der EZB. Kredite und Baufinanzierungen sind auf extrem günstigen Niveau. Ein Bauzinsen-Vergleich zeigt deutlich, wie günstig man inzwischen an eine Baufinanzierung kommen kann. Insbesondere in Hinblick auf eventuelle ansteigende Zinsen, lohnt es sich, sich die Rekordzinsen auf lange Zeit zu sichern.