Wohnimmobilienkreditrichtlinie: Auswirkungen des Gesetzes 2018

Die Finanzkrise, die 2008 ihren Anfang nahm, hat deutliche Spuren in der Bankenwelt hinterlassen. Maßgeblich zu dieser Krise beigetragen hat die allzu laxe Vergabe von Immobilienkrediten, vor allem in den USA. Aus diesem Grund hat das Europäische Parlament eine Verschärfung der Vorgaben bei der Vergabe von Verbraucherdarlehen beschlossen. In Deutschland ist die Immobilienkreditrichtlinie (WIKR) seit März 2016 im Gesetz verankert und muss seitdem von den Banken umgesetzt werden. Hier erfahren Sie, was das für Sie als Verbraucher bedeutet.

Die wichtigsten Punkte der Wohnimmobilienkreditrichtlinie auf einen Blick:

  • Einkommen, Beruf, Alter, Familienstand eines jeden Kreditnehmers wird geprüft.
  • Sicherheiten, z. B. in Form von Versicherungen, wirken sich positiv aus.
  • Altverträge und Anschlussfinanzierungen sind nicht betroffen.
  • Banken sind haftbar im Falle einer Falschberatung.


Die Entstehung der Immobilienkreditrichtlinie und ihre Auswirkungen

Bereits im Jahr 2014 wurde die Richtlinie im EU-Parlament beschlossen und an die einzelnen Mitgliedstaaten zur Umsetzung in deren Gesetze übergeben. Im März 2016 wurde das Gesetz vom Bundestag offiziell ins deutsche Recht aufgenommen. Mit der WIKR soll das Aufkommen zukünftiger Finanzkrisen erschwert und eine Immobilienblase verhindert werden. Banken sind nun verpflichtet, wesentlich genauer hinzusehen, wem sie einen Immobilienkredit gewähren. Auf Ihren Altvertrag hat dies keine Auswirkungen, doch jedes neu geschlossene Darlehen muss den Anforderungen entsprechen.

Genauere Prüfung vor der Vergabe eines Immobiliendarlehens

Wer einen Immobilienkredit beantragt, wird seit Inkrafttreten der Wohnimmobilienkreditrichtlinie oftmals genauer überprüft. Die Kreditwürdigkeitsprüfung muss sicherstellen, dass Sie als Kunde in der Lage sind, das Darlehen jetzt und in Zukunft zurückzuzahlen. Dabei spielt nicht nur die Bonität eine Rolle, sondern auch, in welcher Branche Sie arbeiten, ob es einen zweiten Kreditnehmer gibt, welche Pläne Sie für die Zukunft haben, ob es zusätzliche Sicherheiten gibt und wie sich der Standort der Immobilie voraussichtlich entwickelt. Kurzum: Ein zukünftiger Immobilienbesitzer muss sich wesentlich genauer in die Karten schauen lassen als es zuvor der Fall war.

Strengere Auflagen für Banken und Kunden

Nur Beratung oder schon Verkauf?

Viele Banken unterscheiden seit der Umsetzung der WIKR zwischen einem unverbindlichen Beratungsgespräch oder einem Verkaufsgespräch. Eine Beratung ist sehr viel unkonkreter und beinhaltet keine Nennung von besseren Tarif-Alternativen. Es wird dem Interessenten lediglich eine Information zu dessen konkreter Anfrage herausgegeben. Wer eine auf die eigene finanzielle Situation zugeschnittene Beratung wünscht, muss hingegen eine umfassende Verkaufsberatung in Anspruch nehmen, welche sich nach den Vorgaben der WIKR richtet.

Die Wohnimmobilienkreditrichtlinie nimmt Verbraucher wie Anbieter in die Pflicht, sich umfassend zu informieren, bevor ein Vertrag zustande kommt. Die Bank muss das Risiko eines Kreditausfalls minimieren, während Sie als Kunde genauer nachweisen müssen, dass die Kreditvergabe gerechtfertigt und kein Ausfall zu befürchten ist.

Beantragen Sie nun ein Immobiliendarlehen, kann der Anbieter nicht nur Ihr Einkommen und Ihre Tätigkeitsbranche für die Entscheidung heranziehen, sondern auch, welche weiteren finanziellen Polster vorhanden sind. Etwaige Verdienstausfälle müssen einkalkuliert werden, wobei zum Beispiel die Familienplanung eine Rolle spielt. Planen Sie eine größere Familie, kann dies ein Signal für die Bank sein, dass ein oder beide Elternteile später weniger Einkommen haben könnten. Zudem können jüngere Kreditnehmer bessere Chancen haben als Personen, die vor dem Renteneintritt stehen.

Als Sicherheit kann auch Ihre Immobilie herangezogen werden. Wert und Standort sind wichtig für die Entscheidung für oder gegen einen Immobilienkredit oder die Höhe des Zinses. Hier könnte die Bank prüfen, wie sich die Lage Ihrer Immobilie und somit der Kaufpreis in Zukunft entwickeln wird und wie viel das Objekt bei einem Wiederverkauf wert sein könnte. Dabei kann auch eine mögliche Wertsteigerung durch Renovierungen berücksichtigt werden.

Banken haften für Falschberatung: Beratungsprotokoll ist Pflicht

Für jedes Gespräch muss ein Beratungsprotokoll angefertigt werden, das sicherstellt, dass Sie über alle Pflichten und Risiken aufgeklärt wurden. Die Beratung muss alle gesetzlichen Vorgaben erfüllen. Auch wenn dies für beide Seiten einen höheren bürokratischen Aufwand bedeutet, hat es große Vorteile für Sie: Die Bank legt damit schriftlich fest, dass sie Sie und Ihren Kreditwunsch eingehend geprüft hat und Sie für kreditwürdig hält. Sollte sich später herausstellen, dass Sie sich das Immobiliendarlehen doch nicht leisten konnten, kann die Bank haftbar gemacht werden und muss Schadensersatz zahlen. Damit soll verhindert werden, dass Kunden dazu gedrängt werden, höhere Kredite als nötig aufzunehmen.

Die Vorfälligkeitsentschädigung muss immer dann gezahlt werden, wenn ein Kreditnehmer das Immobiliendarlehen vorzeitig kündigen will. Sie steht schon viele Jahre in der Kritik. Immer wieder wird bemängelt, dass Banken die Vorfälligkeitsentschädigung zu hoch ansetzen. Eigentlich war im Gesetzesentwurf zur Immobilienkreditrichtlinie eine Deckelung der Kosten vorgesehen, da Banken zuvor weitestgehend freie Hand bei der Kalkulation hatten.

Jedoch wird auch in der neuen Richtlinie nicht genau definiert, welche Kosten die Bank an den Kunden weitergeben darf. Streng genommen dürfen nur die tatsächlich im Zusammenhang mit der Rückzahlung stehenden Kosten in Rechnung gestellt werden. Doch für den Kreditnehmer ist dies nur schwer ersichtlich und nachvollziehbar. Erst die Zeit und etwaige Gerichtsprozesse dürften klären, ob eine weitere Einschränkung der Banken nötig ist.


Die Folgen der Wohnimmobilienkreditrichtlinie in der Praxis

Die Wohnimmobilienkreditrichtlinie hat konkrete Auswirkungen auf alle, die ein Darlehen abschließen möchten. Generell könnten einzelne Banken bei der Kreditvergabe strenger sein. Wie stark sich das Ganze auswirkt, hängt von der Bank ab, da die Auslegung stark variieren kann.

Einkommen ist Trumpf

Ein regelmäßiges Einkommen ist generell ein wichtiger Faktor bei der Vergabe von Krediten. Die Wohnimmobilienkreditrichtlinie gibt jedoch strengere Richtlinien vor. Der Wert der gekauften Immobilie darf von den Banken nicht als exklusiver Sicherheitsfaktor herangezogen werden. Der Fokus liegt vor allem auf dem Einkommen: Die Rate muss über die ganze Darlehenslaufzeit aus dem Gehalt gezahlt werden können, was wiederum ein Vorteil für alle Berufstätigen mit unbefristetem Arbeitsvertrag ist.

Auswirkungen für Vermittler

Vermittler von Immobiliendarlehen müssen seit Inkrafttreten der WIKR eine Gewerbeerlaubnis gemäß § 34i GewO vorweisen. Die Übergangsfrist lief im März 2017 ab. Voraussetzung für deren Erhalt ist u. a. eine Berufshaftpflichtversicherung und angemessene Berufserfahrung (beispielsweise eine geeignete Ausbildung zum Immobilienkaufmann/-frau oder Bankfachwirt/in), auch Sachkundenachweis genannt. Immobiliendarlehensvermittler, die schon fünf Jahre oder länger im Beruf arbeiten, müssen aufgrund der „Alte-Hasen-Regelung“ keinen erneuten Sachkundenachweis erbringen.

Erschwerter Krediterhalt für manche Personengruppen

Vor allem Familien, ältere Personen oder solche mit geringem Einkommen könnten es schwerer haben, einen Immobilienkredit bzw. einen günstigen Zinssatz zu erhalten. Junge Familien oder Paare, die einen Kinderwunsch hegen, könnten eher Probleme bekommen als Paare ohne Kinderwunsch und mit doppeltem Einkommen. Da die Banken verstärkt auf das Einkommen achten, sollten junge Familien bei der Planung ihres Kredits besonders darauf achten, dass auch ein Einkommen ausreicht, um das Darlehen abzuzahlen. Die gute Nachricht: Für eine Bewilligung des Darlehens wird nicht nur Ihr monatliches Einkommen, sondern auch der Immobilienwert berücksichtigt.

Auch bei Rentnern oder Personen, die kurz vor der Rente stehen und in eine Immobilie als Altersvorsorge investieren möchten, müssen damit rechnen, dass ihr Darlehensantrag abgelehnt wird. Auch wenn es sich nicht um einen Kredit für einen Neubau oder -kauf handelt, benötigen ältere Menschen häufiger einen Modernisierungskredit, um ihr Heim alters- oder behindertengerecht umzubauen. Banken ziehen die statistische Lebenserwartung heran, um das Kreditausfallrisiko im Todesfall zu berechnen. Dies und das meist geringere Einkommen eines Rentners können bei der Vergabe von Immobiliendarlehen für Probleme sorgen.

Absicherung wirkt sich positiv aus

Natürlich ist es nicht möglich, einen Lebensweg exakt vorauszusagen. Ein sicherer Job, eine gesunde Ehe oder eine gute Gesundheit sind leider nicht selbstverständlich. Sollte sich ein Schicksalsschlag ereignen, steht die Finanzierung, die meist auf mehrere Jahrzehnte ausgelegt ist, schnell auf der Kippe. Banken achten daher verstärkt darauf, dass der Kreditnehmer ausreichend für den Ernstfall abgesichert ist. Die Wohnimmobilienkreditrichtlinie empfiehlt hier, dass Kreditnehmer bestimmte Versicherungen abschließen. Dies ist zwar keine Pflicht, kann jedoch positiv beeinflussen, ob sich eine Bank für oder gegen die Kreditvergabe entscheidet. So kann es geschehen, dass Ihnen die Bank eine Lebensversicherung oder Berufsunfähigkeitsversicherung ans Herz legt.

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Was geschieht bei bestehenden Darlehensverträgen?

Bereits bestehende Darlehen, die vor der Einführung der EU-Wohnimmobilienkreditrichtlinie geschlossen worden sind, sind von den Änderungen nicht betroffen. Und auch bei der Anschlussfinanzierung finden die neuen Richtlinien keine Anwendung. Auch wenn es zunächst anders aussah, ist geplant, dass hierbei keine neue Kreditwürdigkeitsprüfung mehr erfolgen muss.

Weiterentwicklung und Zukunft mit der Wohnimmobilienkreditrichtlinie

Als die Wohnimmobilienkreditrichtlinie 2016 in Kraft getreten ist, wurde sie nicht von jedem begrüßt. Zwar sollen die neuen Vorgaben eine allzu hohe Überschuldung einzelner Haushalte verhindern – viele Personengruppen wie junge Familien, Geringverdiener oder Ältere könnten es jedoch schwerer haben als bisher, einen Kredit oder niedrige Zinsen zu erhalten. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass Banken nun verantwortlich gemacht werden können, wenn ein Kreditnehmer falsch beraten wurde. Zudem verunsichert die Immobilienkreditrichtlinie viele Verbraucher, da sie stärker als bisher durchleuchtet werden. Das Umsetzungsgesetz wurde in Deutschland besonders streng realisiert, was bereits kritisiert wurde. Eine Immobilienblase, wie sie in den USA entstanden ist, wird von Finanzexperten für den deutschen Markt als unrealistisch eingestuft.

Es verwundert deshalb nicht, dass das Gesetz immer wieder nachgebessert wird. So darf nun etwa der Wert der Immobilie bei der Kreditwürdigkeitsprüfung herangezogen werden, statt sich allein auf das Einkommen des Antragstellers zu konzentrieren. Diese und ähnliche Nachbesserungen sind für Kreditnehmer positiv, da sie die sehr strenge Vergabe von Immobiliendarlehen wieder etwas lockern. In jedem Fall gut für Sie: Denn so können Sie von den aktuell niedrigen Bauzinsen profiteren. Diese ermöglichen es, eine hohe Tilgung zu vereinbaren und das Darlehen schnell abzuzahlen oder alternativ bei geringerem Einkommen die monatliche Rate relativ niedrig zu halten. Bei der Suche nach einer geeigneten Baufinanzierung lohnt es sich umso mehr, genau zu vergleichen, um ein möglichst günstiges und optimal auf Sie zugeschnittenes Angebot zu erhalten.