Werbung, Medien und Finanzexperten sind sich einig: Das aktuelle Zinsniveau ist günstig wie nie für Kredite und Finanzierungen aller Art. Insbesondere Immobiliendarlehen profitieren von der aktuellen Zinsentwicklung. Doch warum ist der Zeitpunkt im Moment so günstig für Darlehen? Welchen Einfluss hat das aktuelle Zinsniveau auf eine Finanzierung und warum ist es so wichtig, den passenden Zeitpunkt für einen Abschluss zu bestimmen?
Relevanz für die Baufinanzierung: Aktuelles Zinsniveau im Vergleich
In der folgenden Grafik wird der Einfluss des Zinsniveaus auf ein Immobiliendarlehen deutlich gemacht. Das Beispieldarlehen hat einen Nettodarlehensbetrag von 100.000 Euro, eine Laufzeit von 10 Jahren und eine anfängliche Tilgung von 1 %. Der dargestellte Beispiel-Zinssatz bezieht sich auf Durchschnittswerte der Baufinanzierungs-Angebote.
Zinskosten Darlehen A: 41.093,41 Euro
Zinskosten Darlehen B: 11.002,33 Euro
Differenz: 30.091,08 Euro

Welch starken Einfluss das aktuelle Zinsniveau auf die angebotenen Zinsen für Baudarlehen haben zeigt oben stehende einfache Beispielrechnung. Gewählt wurde ein Durchschnittszins, jeweils im April aus den Jahren 2011 (Darlehen A) und 2016 (Darlehen B). Während der anfänglichen Laufzeit von 10 Jahren ergibt sich bereits eine Differenz von über 30.000 Euro an Zinskosten.
Einfluss aktuelles Zinsniveau auf Baufinanzierungen

Zinsniveau für Tilgung nutzen?
Welche Auswirkungen auf die Kosten eines Darlehens das Zinsniveau haben kann, wurde durch die Beispielrechnung bereits eindrucksvoll gezeigt. Für die Planung einer Immobilienfinanzierung spielt aber das Zinsniveau eine noch weit größere Rolle. Denn nicht nur der Zeitpunkt des Abschlusses sollte darauf abgestimmt werden, sondern auch Faktoren wie die Zinsbindung, die Tilgungsdauer und auch Randeffekte wie der Beleihungswert. Je nachdem ob das Zinsniveau aktuell sehr hoch oder niedrig ist, ergeben sich andere Abstimmungen in der Baufinanzierung. So können Kosten gespart werden.
Niedriges Zinsniveau
Ist der aktuelle Bauzins niedrig, kann die Kostenersparnis durch einige weitere Anpassungen der Baufinanzierung weiter erhöht werden. So sollte die Sollzinsbindung möglichst lange festgeschrieben werden, um sich die günstigen Bauzinsen langfristig zu sichern. Denn sollten die Zinsen wieder steigen, kann das die in der Regel folgende Anschlussfinanzierung sehr verteuern. Besser ist es den Zeitpunkt der Anschlussfinanzierung bei niedrigem Zinsniveau möglichst weit hinaus zu schieben. Außerdem sollte man durch Anpassung des Tilgungssatzes die Restschuld minimieren. Die Zinsersparnis sollte in eine höhere Monatsrate investiert werden. So kann der Tilgungssatz angehoben werden und man kann mehr Schulden innerhalb der Laufzeit tilgen und der Betrag für die Anschlussfinanzierung reduziert sich.
Ein weiterer Faktor, der bei niedrigen Hypothekenzinsen auch genutzt werden kann, ist die Anpassung der Nettodarlehenssumme, also letztlich des Kreditbetrags. Denn das was an Zinskosten gespart wird, kann eventuell auch als Darlehen aufgenommen werden. So sind vielleicht weitere Bauergänzungen oder Ausstattungs-Upgrades möglich. Man sollte aber bei solchen Überlegungen nicht die maximal mögliche Beleihung und die unter Umständen größere Menge an Eigenkapital, die bei einer Darlehenserhöhung notwendig wird, vergessen.
Hohes Zinsniveau
Wichtigster Faktor bei einem hohen aktuellen Zinsniveau ist, dass genau kalkuliert wird, wie viel Darlehen man sich überhaupt leisten kann. Denn zu dem reinen Darlehensbetrag kommen noch mitunter sehr hohe Zinskosten hinzu. Der Gesamtbetrag des Darlehens erhöht sich beträchtlich. Dies muss bei der Planung der Tilgung und der Höhe der monatlichen Rate bedacht werden. Wer nur eine geringe monatliche Rate zahlen kann, zahlt unter Umständen dann ein Leben lang an einer zu hoch gewählten Baufinanzierung.
Die Laufzeit sollte entsprechend ebenfalls kurz gewählt werden, um bei einem Zinsabfall möglichst schnell zu den günstigeren Zinsen zu wechseln. Falls das Zinsniveau während der Laufzeit fällt, kann man sich unter Umständen auch mit einem Forward Darlehen helfen und die günstigen Zinsen reservieren. Außerdem besteht für Darlehen nach zehn Jahren Laufzeit ein gesetzliches Sonderkündigungsrecht, das man ebenfalls nutzen kann, um zu einem günstigeren Darlehen zu wechseln, falls die Zinsen während der Laufzeit sinken.
Hintergründe zum aktuellen Zinsniveau
Die Ursache, dass das Zinsniveau aktuell so niedrig ist, liegt in der Zinspolitik der EZB. Derzeit wird der Leitzins, der Einfluss auf alle Zinsen innerhalb Europas hat, von der Europäischen Zentralbank auf einem Rekordtief gehalten. So soll es wirtschaftlich stagnierenden Volkswirtschaften innerhalb Europas ermöglicht werden sich zu erholen, indem vermehrt investiert und so letztlich die Wirtschaft angekurbelt. Die – sehr vereinfacht dargestellte – Intention dabei ist: Wer sich billig Geld leihen kann tut dies und investiert es in neue Projekte und schafft somit Bedarf an neuen Gütern. Der Konsum und die Nachfrage werden gesteigert und dadurch letztendlich auch die Produktion. Diese Überlegungen gelten nicht nur für Unternehmen, sondern auch für Privatleute.
Die EZB beeinflusst aktiv die Zinsentwicklung Europas. So ist es nicht auszuschließen, dass in Zukunft die Zinsen auch wieder angehoben werden – wenn die Experten der Auffassung sind, dass dies der europäischen Wirtschaft zugutekommt. Steigt der Leitzins, steigen auch die Zinsen wieder. Darlehen und Kredite werden teurer. Da aber niemand mit absoluter Gewissheit eine Zinsprognose für die Zukunft abgeben kann, bleibt es bis zu einem gewissen Grad auch ein Glücksspiel, den richtigen Zeitpunkt für eine Finanzierung zu finden.
Aktuelles Zinsniveau in Baupläne einbeziehen?
So schön die Theorie ist, den perfekten Zeitpunkt für eine Baufinanzierung abzuwarten, in der Praxis kollidiert dieses Vorhaben häufig mit der Lebensplanung. Nicht immer kann man den Hausbau lange genug hinauszögern, um möglichst günstig finanzieren zu können. Denn schließlich möchte man ja in der eigenen Immobilie leben und nicht nur darauf warten endlich ins Eigenheim zu ziehen. Es ist daher häufig besser, die Baufinanzierung geschickt an das aktuelle Zinsniveau anzupassen und einen günstigen Anbieter zu finden, anstatt lange auf ein Zinstief zu warten. Für alle Bauwilligen befindet sich das Zinsniveau ohnehin derzeit glücklicherweise auf einem Tiefststand. Dennoch sollte man auch nichts überstürzen. Eine akribische Planung und eine Finanzierung die auf die persönliche finanzielle Situation abgestimmt ist, sind dennoch unabdingbar. Zudem sollte , man – unabhängig von der Höhe der aktuellen Zinsen – auch immer einen breiten Anbietervergleich durchführen, um eine gute Übersicht über mögliche Angebote zu erhalten. Wer also den richtigen Partner bei der Finanzierung findet, und diese dann geschickt an das aktuelle Zinsniveau anpasst, kann beruhigt den Schritt ins eigene Heim wagen.